Freitag, 22. März 2013

Post-Neoliberalismus und Kämpfe um die Hegemonie in Ecuador: Das neue Mediengesetz

„Eines der großen Hemmnisse bei der Herausbildung von Kräften des Widerstands liegt in der Tatsache, dass die Herrschenden die Medien wie noch nie in der Geschichte kontrollieren.“ (Bourdieu 2004: 178)


Diesen Zustand, den Pierre Bourdieu hier beschreibt finden wir nahezu überall in der Welt, aber im Falle einiger Länder in Lateinamerika wie beispielsweise Venezuela, Ecuador und Argentinien besitzen und dominieren einige wenige Konsortien und Familien den kompletten medialen Sektor und somit die öffentliche Meinung, die sie in ihrem Kampf gegen die neuen mitte-links Regierungen, die sich gegen die neoliberale Politik der letzten 30 Jahre stellen.
Aber nicht nur auf nationaler Ebene hat sich eine Opposition gegen die Reformen dieser Regierungen zusammengefunden, auch die internationale Presse und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen sind auf den Zug aufgesprungen und verbreiten falsche/fehlerhafte Informationen mit dem Ziel die neuen Gesetze zu kippen und die Initiative dieser Regierungen, die eine Alternative zur neoliberalen Politik und der Hegemonie einiger weniger internationaler Konsortien sein will, im Keim zu ersticken.


By Joffre eupe (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Die Situation in Ecuador vor der Verfassungsreform im Jahre 2008
Nach der Diktatur (1972-1977), begann der Übergang zur Demokratie, in dem es keine bzw. wenige Probleme zwischen den Regierungen und den Medien gab. Die Beziehung zwischen beiden kann als eine Periode des friedlichen Koexistierens bezeichnet werden, bis die populistische Regierung und Abdalá Bucaram die Wahlen für sich entscheiden konnte ohne die Unterstützung, Hilfe oder Mitarbeit der Medien. Er benutzte die Medien um sich und seine Regierung zu präsentieren, und dass in einer exzentrischen Art und Weise, die mehr und mehr Medien zu stören begann. Diese organisierten daraufhin Demonstrationen und Straßenproteste und konnten so die Präsidentschaft von Bucaram beenden.(Aguinaga 2010: 157f.)
Im Januar 2000 musste auch der erfolgreiche Jamil Mahuad seine Präsidentschaft aufgeben nachdem er einige Entscheidungen getroffen hatte, die zu einer großen Krise im finanziellen und wirtschaftlichen Sektor führten, was daraufhin zu einer schwierigen politischen Situation führte, die aus der neoliberalen Politik der Regierungen herrührte.(ebd.: 158/159)
Im Bereich der Presse war diese Zeit vor allem durch Unregelmäßigkeiten und Ungleichverteilungen der Konzessionen und Frequenzen durch die zuständige Behörde (CORNATEL) gekennzeichnet. Der nationale Rat für das Radio und Telekommunikationswesen (CORNATEL), das zuständig für die Verteilung und Zuteilung der Radio- und Fernsehfrequenzen ist, kollaborierte mit den großen Medienkonzernen oder fand keine legalen Mittel um gegen die wachsende Monopolisierung vorzugehen. Während die privaten Medienkonzerne an Kraft zulegen konnten und auf aggressive Art und Weise starke Einfluss auf die Wahlen nehmen konnten. Nach und nach dominierten so eine Hand voll großer Medienkonzerne den gesamten Bereich der Massenmedien.(ebd.: 160)

Das neue Mediengesetz
Wie wir bereits gesehen haben, wird der gesamte Mediensektor inklusive der landesweiten Frequenzen von Monopolen und Oligopolen in Ecuador dominiert während sie gleichzeitig dafür sorgen, dass es fast unmöglich ist neue Tageszeitungen, Radiostationen oder Fernsehsender zu gründen. Dies führte, neben anderen Punkten, dazu, dass man Wege finden musste diesen Bereich zu demokratisieren und somit den Weg öffnet um die Medienlandschaft in Ecuador zu renovieren.
So begann die Regierung unter Correa damit eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen, die die Macht der großen Konsortien und Mediengesellschaften einschränken sollte. So wurden unter anderem Monopole und Oligopole verboten und gleichzeitig öffentlich-rechtliche Medien geschaffen.(Bruchmann 2012: 132)
Dies erschien notwendig, da sich die Medien seit 1966 hauptsächlich darauf beschränkten die eigene wirtschaftliche Lage zu verbessern und sich nicht darum kümmerten eine demokratische Öffentlichkeit zu schaffen. Dies änderte sich erst 2008, als die neue Verfassung in Kraft trat, in der das Recht auf Kommunikation, die Freiheit der Presse und die Meinungsfreiheit, sowie der universelle Zugang auf Informationen und Medien, wie bspw. das Internet oder Fernsehen festgelegt wurden. Darüber hinaus regelt die neue Verfassung das Recht neue soziale Kommunikationsmedien zu gründen - unter gleichen Vorrausetzungen für private, öffentliche und kommunitäre Akteure - und die Festlegung von Subventionen und Unterstützung für neue Teilnehmer in diesem Bereich.(ebd.: 129)
Zugleich wurde es jedoch notwendig diese Punkte genauer zu definieren, womit die Gesetzesinitiative zur Schaffung eines neuen Mediengesetzes auf den Weg gebracht wurde, das allerdings bis heute nicht verabschiedet wurde. Die grundlegende Idee in der Gesetzesinitiative besteht in der Demokratisierung und gleichzeitiger Schaffung von Pluralität im Bereich der Kommunikationsmedien, die größere Partizipation des Volkes, insbesondere der indigenen Bevölkerung, sowie die Garantie auf eine transparente Vergabe der Konzessionen und Frequenzen.(ebd.:132)
Aus diesem Grund soll ein nationaler Rat für Kommunikation und Information geschaffen werden, der politisch für den Bereich der Medien zuständig sein und die sozialen und materiellen Vorraussetzungen schaffen soll.(ebd.:133)

Aber ähnlich wie in Argentinien, wo ein Gesetz aus der gleichen Intention heraus geschaffen werden sollte, waren die Reaktionen auf das neue Mediengesetz in Ecuador geteilt und über viele Punkte wird seit Beginn der Initiative heftig diskutiert. So fürchten insbesondere die großen Medienkonzerne Ecuadors und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, dass das Verbot diskriminierender und diffamierender Informationen, sowie die Verantwortung der Autoren und der Konzerne zu einer Autozensur führen könnte und damit die Arbeit der Journalisten in Ecuador stark eingeschränkt wäre.(vgl. ebd.: 131) Und dass, obwohl in dem Gesetz weder eine Zensur vorgesehen noch die Pressefreiheit eingeschränkt werden soll.(ebd.: 132)
So heißt es in Artikel I des neuen Gesetzes: „Das Ziel dieses Gesetzes ist es, die Rechte auf Kommunikation und Information, die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Demokratisierung der Medien, den freien Zugang zu  öffentlichen Informationen und den universellen Zugang zu Informationstechniken, wie sie im Gesetz, in der Verfassung und nach internationalem Recht beschrieben werden zu garantieren.”(Andino 2010: 27)
Und um für Pluralität und Diversität im Mediensektor zu sorgen heißt es in Artikel VI, dass den Personen eine Stimme gegeben werden soll, die vor dem Gesetz keine Stimme hatten.(Bruchmann 2012: 132)

Dieser Artikel ist ein Auszug aus einer wissenschaftlichen Hausarbeit, die im Rahmen eines Seminars an der Universität Heidelberg im Wintersemester 2012/13 geschrieben wurde. Der Originaltitel ist: “Pos-neoliberalismo y luchas por la hegemonía en Ecuador: Conceptos alternativos para establecer un público crítico” (und kann als .pdf heruntergeladen werden (spanisch))

Literaturverzeichnis:
Aguinaga, Hernán Reyes (2010) Pos-neoliberalismo y luchas por la hegemonía en Ecuador. Los entrecruces entre la política y la comunicación. IN Sel, Susana (Ed. Políticas de comunicación en el capitalismo contemporáneo. Buenos Aires, CLACSO.

Andino, Dr. Mauro (2010) Proyecto de ley orgánica de comunicación. IN Nacional, Asamblea (Ed. Quito).

Bourdieu, Pierre (2004) Bd. 3: 1988 - 1995 : Ernüchterung durch die Politik & Realpolitik der der Vernunft ; Kämpfe auf europäischer Ebene & Neuerfindung eines kollektiven Intellektuellen ; Bd. 4: 1995 - 2001 : Unterstützung der sozialen Kämpfe: vom Dezember '95 bis Raisons d'agir ; die Medien im Dienste der konservativen Revolution ; Widerstand gegen die liberale Gegenrevolution. Hamburg, VSA-Verl.

Bruchmann, Hanno (2012): Medienpolitik in Ecuadors »Revolución Ciudadana«, in: Rosa-Luxemburg-Stiftung: Manuskripte 95, S. 119-137.

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